3 VII 1885, Maksymowicze (heute Belarus) – 1941, Ghetto Minsk
Dichterin und Prosaschriftstellerin, die auf Jiddisch schrieb. In den 1930er Jahre war sie wahrscheinlich das einzige weibliche Mitglied der jüdischen Sektion des Schriftstellerverbands der Weißrussischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Besonders wichtig waren ihr die Themen Dorf und Natur sowie aktuelle soziale Probleme.
Geboren wurde sie am 3. Juli 1885 im Dorf Maksymowicze auf dem Gebiet des heutigen Belarus. Ihr Vater arbeitete in der Forstwirtschaft, ihre Mutter war Hausfrau. Sie waren zehn Kinder zu Hause. Ihre Mutter weckte die Liebe zur Literatur in Sara. Als Sara erwachsen war, arbeitete sie als Leiterin der städtischen Bibliothek in Bobrujsk. Von Zeit zu Zeit nahm sie an Treffen für angehende Schriftsteller in Minsk teil. Im Jahr 1935 zog sie auf Vorschlag der städtischen Parteiorganisation der jüdischen Sektion des Schriftstellerverbands der Weißrussischen Sozialistischen Sowjetrepublik, in der Sara wahrscheinlich die einzige Frau war, mit ihrer Familie nach Minsk. Dort begann sie ein Abendstudium an der Fakultät für Philologie der Weißrussischen Pädagogischen Hochschule. Gleichzeitig arbeitete sie und kümmerte sich um den Haushalt. Sie hatte drei Söhne. In den 1930er starb einer ihrer Söhne an Lungenentzündung. Dieser Verlust ging ihr sehr nahe.
Sara Kagan schrieb auf Jiddisch. Sie gehörte zur Generation jüdischer Schriftsteller, die in den Jahren nach der Revolution zur Literatur fanden. Sie hatte ihr Debüt im Jahr 1929, im Jahrzehnt vor dem Zweiten Weltkrieg erschienen ihre Gedichtbände Unterwegs, Meine Heimat, Unsere Leute und der Erzählungsband Erster Preis. Vor dem Krieg veröffentlichte sie auch den Roman Der Geiger. Im Jahr 1940 erschien ihr Erzählungsband in belarussischer Übersetzung von Zmitrok Biadula. Sie war Mitglied der Redaktion der jiddischen Literaturzeitschrift „Shtern”. Sie behandelte aktuelle Probleme, aber besonders vertraut war ihr die dörfliche Thematik: die Natur von Belarus und Bauern-Helden.
Deutsche Truppen besetzten Minsk im Jahr 1941. Sara wurde mit ihrer Familie ins Ghetto gebracht und kam dort zusammen mit ihrem Mann und dem jüngeren Sohn ums Leben. Der ältere Sohn fiel bei Kämpfen an der Front. Keiner ihrer Familienangehörigen überlebte den Krieg.
Bagenish (1935)
Ver-zhe klapt fartog tsu mir in fentster?
Ver-zhe klapt es forzikhtik azoy?
Knap ikh uf zikh gikh un ikh entfer:
"Vart a vayl-shinke, ikh gey shoyn, ot ikh gey".
Hob ikh shtil dos forhangl farhoybn
un tsum fentster zikh geton a loz.
Hot a freyd umgekhept di shoybn;
tsvey por oygn shtern di gloz:
"Mame!"
"Tokhter!"
"Kind du mayne libe,
vost bistu gekumen umgerikht?
Farvos hostu keyn briv mir nit geshribn,
ikh zol aroysgeyn un bagegenen haynt dikh?"
"Es volt mayn briv mikh, mame, nit deryogn –
nit mit shifn, nit mit banen, nit mit ferd.
Ikh hob in himlen bloye zikh getrogn
un aropgekozn zikh tsu dir do af der erd.
efn, mame, kh'vel dir dertseyln shpeter
fun parashiutn, un fun hoykhn, un fun alts;
ikh bin gesprungen zibn toyznt meter.
itst vil ikh shtark onkushn dayn haldz".
Ikh tepral di fentster mit di tirn,
flit mayn tokhter, vi a toyb, tsu mir arayn.
Es vert ful mayn shtub mit yungn shayn mit irn,
nor es vil mayn tokhter lang mit mir nit zayn.
"Zay gezunt, mayn libe gute mame,
kh'bin farfloygn af a vayle nar.
s'vartn itst af mir aeroplanen
afn feld dart hinter undzer dorf".
Vish ikh oys di trern fun di oygn.
Kh'ze, in himl shtralt shoyn hoykh di zun,
ziz mayn tokhter vayt avekgefloygn.
Zay gezunt, mayn tokhter, zay gezunt!"
Minsk (1934)
Minsk, mayn Minsk, mayn alter bolshevik,
s'trogt zikh haynt tsu dir a shneler tsug,
ikh kuk in shoyb un zey zikh on mit glik,
un s'tantst in mir mayn harts fun yedn kuk.
Volt ikh nit gevust dikh, kh'volt dikh nit derkent,
bist oysgevaksn shtark, bist oysgevaksn groys,
un vifl koymens haye shteyen dort farkent
mit yunge-ke tshiprines inderhoykh.
Mayn freyd iz gants, mayn oyg iz zat,
un s'shrayt fun mir mayn freyd aroys:
Minsk, du bist a yat!
Minsk, mayn Minsk, mayn alter bolshevik,
ikh kuk af dir, un s'shvint a yor aroys.
Nit umzist hot di partey mit yorn nokh tsurik
dem tsuzamenfor dem ershtn dir fartroyt.